Früh aufgestanden, nasse Füße bekommen und 10 Kitze gerettet
Iris Velte-Hillenbrand berichtet von ihrem Einsatz
Morgens 5:15 Uhr. Ich stehe irgendwo in der Rhön in einem Luzernefeld. Meine Knie sind nass, und ich sehe meinen Atem. Langsam kriecht die Feuchtigkeit nach oben. Das Laufen zwischen den bauchnabelhohen Luzernen fällt mir gar nicht so leicht wie ich vermutet habe. Und vorsichtig muss ich laufen. Erst wenn unsere Drohne den Bereich um mich herum abgesucht und freigegeben hat, geht es auch mal schnelleren Schrittes voran. Das wärmt zwar, allerdings dringt der Tau immer weiter die Hose hinauf. Meine Gummistiefel sind gerade gold wert.
Die Luft ist klar und am Horizont grüßt das Morgenrot. Zwischen dem Gezwitscher der Vögel bekomme ich und alle anderen Helfer über Funk immer wieder Auskunft, wo die Drohne etwas gefunden hat, und welcher Läufer des heutigen Teams sich zur Fundstelle begeben soll.
Ich beobachte neugierig und gespannt meine Kolleg/innen, wie sie sich durch das hohe Grün arbeiten. Und, wird da ein Arm in die Luft gestreckt? Höre ich ein :“ich habe eins“?
Nein. „Nur eine Liegestelle“,sagt Dany ein bisschen enttäuscht. Der Wärmesensor der Drohne hat erhöhte Temperatur gemessen an einer Stelle, an der bis vor einigen Minuten ein Kitz, eine Geiß oder ein anderes Tier gelegen haben muss. Man sieht nur noch den Abdruck auf der Erde.
Die Drohne steigt wieder höher, genau wie die Nässe an meinen Hosenbeinen.
Wieder hat der Drohnenführer etwas entdeckt. Und dieses mal reckt sich ein Arm.“ Fund, ich habe eins“. Ganz vorsichtig hat unser Drohnenführer meine Kollegin Schritt für Schritt zu der Stelle gelotst, wo geschützt von Luzernen und Klee ein kleines zartes Rehkitz liegt, eingerollt wie ein Hörnchen
Eine Transportbox wird gebracht und das Kleine vorsichtig mit Gras gepolstert hinein gelegt. Es wird aus dem Feld hinaus getragen, ein Stück weiter in ein benachbartes Feld oder ein Wäldchen, wo es dann nach seiner Mutter rufen und warten kann.
Dann findet die Drohne in meiner Nähe etwas.
Es ist ein größeres Kitz. Schon zu agil und zappelig für die Transportbox, also darf ich es auf den Arm nehmen. Wie ein mittelgroßer Hund denke ich. Ich drücke es an meinen Oberkörper, habe aber auch Angst es zu verletzen. Das Herzchen geht ganz schnell und es schaut etwas irritiert in die Gegend. Die ersten Meter ist es ganz still und rührt sich nicht. Dann hat es offenbar keine Lust mehr auf einen unfreiwilligen Umzug, zappelt und schreit ganz laut nach seiner Mama.
Jetzt nur nicht loslassen denke ich! Und in dem Moment ist die Kälte, die nasse Hose und die unmenschliche Uhrzeit vergessen. Wir bringen es in Sicherheit. In wenigen Minuten wird das Feld gemäht. Der Bauer hatte uns um Hilfe gebeten, um die Tiere vor dem sicheren Mähtod zu bewahren.